Skulpturen in der Stadt
Ein Marmorriese, der den Glockenturm der Kirche von San Michele stützt, und eine große Familie mit Terrakotta-, Holz- und Zementfiguren im Kreuzgang des Kulturzentrums Agorà sind die Protagonisten zweier zeitgenössischer Skulpturausstellungen, die in diesen Tagen in Lucca besichtigt werden können, und die Gelegenheit bieten, zwei verschiedene Orte der Stadt, einer sehr berühmt, der andere etwas versteckt, mit diesen Figuren und ihren Geschichten kennenzulernen.
Le donne, i giovani e i Santi (Frauen, junge Menschen und Heilige) ist eine dem großen Künstler aus Lucca Renato Avanzinelli gewidmete Skulpturausstellung, die anlässlich seines 51.Todestages im Kreuzgang des Kulturzentrums Agorà eingerichtet wurde. Ein Volk aus Gesichtern und Darstellern jeden Alters, Familienmitgliedern (einige sind Porträts seiner Frau und Kinder) und ikonenhaften Figuren (ein großer Christus). Eine Gruppe von Kunstliebhabern, seine sechs Kinder und zahlreiche ehemalige Schüler wollten diese Ausstellung mit den repräsentativsten Skulpturen seiner Poetik organisieren, die er in seinem kurzen, aber arbeitsamen Leben geschaffen hat, neben jungen Leuten, Studenten und denen, die diese stillen Orte oft besuchen, in denen heute die Stadtbibliothek Agorà beherbergt wird.
1908 in Lucca geboren und 1970 gestorben, arbeitete er nach seinem Abschluss am Kunstgymnasium Passaglia als Lehrer und pflegte als Autodidakt eine große Leidenschaft für die Bildhauerei. Die Ausstellung präsentiert 42 Werke des Künstlers, die mit verschiedenen Techniken hergestellt wurden: von Holz über Bronze und Terrakotta, von polychromer Keramik bis Zement, eine Technik, die der Künstler aus Lucca besonders liebte.
Eine Ausstellung, die Kunstliebhaber mit besonderem Interesse an Bildung und Kultur mit Werken begeistern wird, die eine Kunsttradition fortsetzen, die die Stadt seit Jahrhunderten bewahrt.
Der Kreuzgang des ehemaligen Klosters der Servi-Kirche beherbergt die Stadtbibliothek und das Kulturzentrum Agorà und diese Ausstellung mit Skulpturen, die zur Ruhe und Besinnung einladen. Der Portikus aus dem 15. Jahrhundert, perfekt erhalten und mit Terrakotta gepflastert, überblickt den Rasen in der Mitte des Kreuzganges. Der Brunnen, der für dieses Ambiente charakteristisch ist, ist mit einem kleinen Anbau verbunden, dessen Dach den Balkon des Obergeschosses bildet, und der einen intimen kleinen Bereich mit einer Sitzgelegenheit bietet.
Klostergebäude sind in Lucca weit verbreitet und beherbergen heute Schulen, Gemeinschaftsräume und öffentliche Ämter. Das Kulturzentrum Agorà ist ein Ort abseits der gewöhnlichen Touristenrouten und an ihn grenzt auch ein kleiner öffentlicher Garten, früher der Garten der Mönche, der sehr einladend ist, wenn man eine kleine Rast einlegen oder in Ruhe ein Buch lesen möchte.
Die Ausstellung ist bis zum 12. Dezember 2021 täglich von 10:00 bis 18:30 Uhr geöffnet.
Ein anderer Ort wurde stattdessen für Mr Arbitrium gewählt, eine wandernde Skulptur, die eine monumentale männliche Figur von etwa 5,40 Metern darstellt und ihren Platz auf der Piazza San Michele gefunden hat, dem antiken Forum der römischen Stadt und seitdem das offizielle Zentrum Luccas.
Der gepflasterte Platz, die ihn umgebende Säulenreihe und die prächtige mittelalterliche Kirche mit all ihren Geschichten auf der Fassade sind allen bekannt und gehören zu den beliebtesten Postkartenmotiven für Fotos und Selfies. Die majestätische Statue des triumphierenden Erzengels auf der Spitze der Segelfassade ragt zwischen zwei Engeln in empor.
Giant, eine Kunstharzskulptur des Bildhauers Emanuele Giannelli, das Ergebnis der jüngsten kreativen Phase des Künstlers, wirft hingegen aktuelle Fragen auf, insbesondere die Veränderungen und der beschleunigte Rhythmus unserer Zeit, und stellt den Betrachter vor ein Dilemma: Sollten wir Traditionen und die Kultur der Vergangenheit, in diesem Fall von der Kirche von San Michele dargestellt, bewahren, oder die Geschichte und Kultur der westlichen Welt ablehnen?
Der international anerkannte Künstler Emanuele Giannelli kreiert gewollt provokant seine Werke in einer perfekten Balance zwischen figurativer und konzeptueller Kunst. Er lässt römischen Klassizismus und die geniale toskanische Kunst der Provokation einfliessen, indem er sie als positives Merkmal interpretiert, die fähig ist, "Emotionen hervorzurufen".
"In einem historischen Moment großer Veränderungen und eines immer schneller werdenden Alltags - fügt Emanuele Giannelli hinzu - glaube ich, dass wir uns nicht nur in den kommenden Jahrzehnten, sondern schon heute darüber im Klaren sein sollten, welchen Weg wir gehen wollen, welche Wahl wir zu treffen beabsichtigen".
Mr Arbitrium wird während der gesamten Weihnachtszeit bis zum 7. Januar in Lucca ausgestellt sein. Im gleichen Zeitraum kann man etwa zwanzig Skulpturen aus Bronze, Kunstharz und Raku-Keramik, einschließlich der Bronzemodelle des Mr. Arbitrium, in der Kunstgalerie OlioSuTavola (von Mittwoch bis Sonntag 17:00 bis 23:00 Uhr) besichtigen.
img: Archivio Turismo.Lucca, R. Giomi / Archivio Agorà / renatoavanzinelli.wordpress.com